Ausgabe 3 - 1/2021

Ausgabe 3 - 1/2021

Klima ist schon lange künstlich. Bereits am Ende des 18. Jahrhunderts, also auf der Schwelle zur Moderne, hielt es der Naturforscher Georges-Louis Leclerc de Buffon für ausgemacht, dass der Mensch seiner Himmelsgegend „gleichsam die Temperatur geben kann, welche er will“. Unsere Gewächshäuser und Saunalandschaften, Kühlschränke und Klimaanlagen scheinen Buffons aufklärerischem Optimismus Recht zu geben. Künstliche Klimata können der Bekämpfung des Hungers, dem Gesundheitsschutz und letztlich dem guten Leben dienen. Heutiges Climate Engineering, so seine Verfechter, ist jedoch keine Frage des guten Lebens, sondern eine des Überlebens. Es geht nicht mehr ums lokale Wettermachen, sondern um globale Klimatransformationen, darum, der Atmosphäre Kohlendioxid zu entziehen oder die Sonneneinstrahlung zu reduzieren, um die Erderwärmung aufzuhalten. Nur hat die technisch gestützte, auf den Menschen zugeschnittene Optimierung der natürlichen Umgebung Auswirkungen auf Mensch und Umgebung – vorhersehbare und unvorhersehbare. Über die Gemengelage der Argumente und Emotionen, die sich dem künstlichen Klima verbinden, gibt seine Imaginationsgeschichte Auskunft. Dieser Imaginationsgeschichte gehen wir in diesem kulturwissenschaftlich profilierten Sonderheft nach. Mit Literatur, Film und Computerspiel beleuchten wir ihre Medien. Wir fragen nach ihren je eigenen Ästhetiken und dem Zusammenhang der Imagination mit dem spezifischen Wissen der Klimamodelle aus Computersimulationen. Und wir widmen uns der Politik des künstlichen Klimas – sei es in Form geopolitischer oder militärischer Fantasien, sei es als Wechselwirkung zwischen physikalischem und sozialem Klima. Dabei erweist sich als beeindruckend, was der moderne Mensch in der Lage ist zu tun – und als beglückend, worauf er verzichtet. Vor allem aber zeigt diese Imaginationsgeschichte, dass die Idee eines vom Menschen unberührten natürlichen Klimas in den Bereich der ideologischen Fiktionen gehört.

Steffen Richter

Ausgabe 3 - 1/2021 - Urs Büttner und Dorit Müller

Climate EngineeringPolitische, epistemische und ästhetische Implikationen seiner Imaginationsgeschichte

Allerorten ist heute von Klimawandel, Klimakrise und Klimaschutz die Rede. Da viele Staaten die selbst gesteckten Ziele zur Reduktion von Emissionen verfehlen und damit die Chancen auf Begrenzung der Erderwärmung schwinden, rücken die Möglichkeiten und Grenzen technischer Klimamanipulation wieder verstärkt in den Blick. (...)

Ausgabe 3 - 1/2021 - Stefan Schäfer und Franz Mauelshagen

Die technologische Kolonisierung des Klimas

"Nun ist keine Frage, dass, wie das Klima ein Inbegriff von Kräften und Einflüssen, zu dem die Pflanze wie das Tier beiträgt und der allen Lebendigen in einem wechselseitigen Zusammenhange dienet, der Mensch auch darin zum Herrn der Erde gesetzt ist, dass er es durch Kunst ändre." Johann Gottfried Herder (...)

Ausgabe 3 - 1/2021 - Clemens Günther

WüstenvisionenLiteratur, Klima und Transformation in Imaginationen Turkmenistans

Betrachtet man mit Eva Horn die „Zähmung des Klimas als Projekt der Moderne“, gilt es, auch nach dem russisch-sowjetischen Beitrag zu fragen. (...)

Ausgabe 3 - 1/2021 - Manuel Kaiser

Trigger – Kleiner Auslöser mit großer WirkungGenealogie einer Denkfigur der Wetter- und Klimabeeinflussung

1921 hielt Sir William Napier Shaw, einer der zentralen Akteure der britischen Meteorologie des frühen 20. Jahrhunderts, einen Vortrag vor der Aeronautical Society der Universität Cambridge zur „Künstliche[n] Kontrolle des Wetters“. (...)

Ausgabe 3 - 1/2021 - Julia Schubert

Die politische Wirkmacht wissenschaftlicher ExpertiseNatürliche Analogien und theoretische Experimente in U.S. amerikanischer Climate Engineering-Politik

Climate Engineering gibt es nicht. So könnte man es zugespitzt formulieren. Denn kaum eines der notwendigen technischen Bestandteile ist betriebsbereit. (...)

Ausgabe 3 - 1/2021 - Gabriele Gramelsberger

GeoMIP Szenarien – Der wissenschaftliche Umgang mit dem künstlichen Klima

Erdsystemmodelle stellen seit den frühen 2000er Jahren ein neues Paradigma in der Klimaforschung dar. (...)

Ausgabe 3 - 1/2021 - Uta Caroline Sommer

Vorgeschichten der Klimakontrolle und -manipulation Jules Vernes "Die Propellerinsel" und "Kein Durcheinander"

Jules Verne hat in seiner umfangreichen, mehr als 60 Titel umfassenden und seit 1867 von Pierre-Jules Hetzel als Voyages Extraordinaires verlegten Romanserie eine Vielzahl von technischen Innovationen und möglichen Zukunftsszenarien in den Blick genommen. (...)

Ausgabe 3 - 1/2021 - Sergej Rickenbacher

Sonne und Glas, Untergang und RettungZur Genealogie des Narrativs ‚Treibhaus Erde‘

Was mit ‚Treibhauseffekt‘ bezeichnet wird, weiß jeder ökologisch bewusste Mensch: Er steht für die gegenwärtige Erwärmung des globalen Klimas durch anthropogene Emission von Gasen. (...)

Ausgabe 3 - 1/2021 - Franz Kather

„…wegen der schon angeführten Forderung wahrer Humanität“Künstliches Heilklima und die Architektur der Schwindsucht

"Die Einwirkung des Klimas auf den Menschen wird von Ärzten und Laien in gleicher Weise ohne Beschränkung anerkannt. [...] Es ist hiernach nicht zu bezweifeln, daß es Aufgabe der Heilkunst ist, den mächtigen Einfluß des Klimas, soweit dieß möglich ist, zu beherrschen." (...)

Ausgabe 3 - 1/2021 - Christiane Heibach

Zwischen Kapitalismus, Kybernetik und KatastropheZur Epistemologie der Klimakapsel

Klimakapseln sind hermetisch abgeschlossene Orte in einer Welt, in der die Atemluft zum schützenswerten Gut geworden ist. (...)

Ausgabe 3 - 1/2021 - Lydia Kray und Sebastian Möhring

Das Wetter kontrollieren – Klima und Agenzialität im Computerspiel

Bezogen auf Computerspiele, so unsere These, kann von Climate Engineering in mindestens drei Hinsichten gesprochen werden. (...)

Ausgabe 3 - 1/2021 - Roland Innerhofer

KältetherapienKlimamanipulation als kulturelle Radikalkur in der frühen Science Fiction (1889-1924)

Die Genese der Gattung Science Fiction war von Anfang an eng mit Katastrophenphantasien verbunden. Die epochalen Umbrüche, die eine beschleunigte Industrialisierung seit der Mitte des 19. Jahrhunderts hervorrief, schlugen sich literarisch in Sehnsuchts- wie Angstvisionen nieder. (...)

Ausgabe 3 - 1/2021 - Urs Büttner

Im Plan der Natur mitspielenErnst Jüngers Ethik des Climate Engineerings im Nachkriegsessay "An der Zeitmauer"

1958 meldet die Zeitschrift Universitas, dass „die Sowjetunion und die Vereinigten Staaten sich in einem Wettlauf um die Möglichkeiten der systematischen Wetterbeeinflussung befinden“. Schon heute, heißt es dort, sei es in den USA und der UdSSR möglich, Wolken durch das Impfen mit Kristallisationskernen vorzeitig zum Abregnen zu bringen, wodurch Überschwemmungen oder Trockenheit auf dem gegnerischem Gebiet herbeigeführt werden könnten. (...)

Ausgabe 3 - 1/2021 - Tobias Nanz und Johannes Pause

Der Kalte Krieg und sein Wetter

Im Bunker gibt es kein Wetter – zumindest keines, das positiv erlebt werden kann, sondern nur eines, das aufgrund meteorologischer Beobachtungen mit technischen Medien verarbeitet und auf Karten oder Displays angezeigt wird. (...)

Ausgabe 3 - 1/2021 - Solvejg Nitzke

Freiheit der GestaltungKlima, Kunst und Künstlichkeit bei Dietmar Dath

Auf der Suche nach dem Klima steht das Wetter oft im Weg. Einzelne Wetterereignisse – selbst in ihrer extremen Form – lassen noch keinen Rückschluss darauf zu, welches Klima ‚herrscht‘. Klima als „Geschichte des Wetters“ entzieht sich der direkten Wahrnehmung durch menschliche Sinne (...)