Ausgabe 3 - 1/2021 - Roland Innerhofer

KältetherapienKlimamanipulation als kulturelle Radikalkur in der frühen Science Fiction (1889-1924)

Die Genese der Gattung Science Fiction war von Anfang an eng mit Katastrophenphantasien verbunden. Die epochalen Umbrüche, die eine beschleunigte Industrialisierung seit der Mitte des 19. Jahrhunderts hervorrief, schlugen sich literarisch in Sehnsuchts- wie Angstvisionen nieder. Unter den technischen Utopien und Dystopien der frühen Science Fiction spielen Szenarien der Klimamanipulation keine zentrale Rolle, es finden sich nur wenige und verstreute Beispiele, die sich nicht zu einem thematischen Cluster zusammenschließen lassen. Gleichwohl können sie als Gradmesser des emotionalen Klimas ihrer jeweiligen Entstehungszeit betrachtet werden.

Da fiktionale Texte zum Thema Geoengineering vor dem Ersten Weltkrieg noch Seltenheitswert haben, wurden im Folgenden auch solche Romane zum Vergleich herangezogen, in denen die thematisierten Klimaveränderungen nicht menschen-, sondern naturbedingt sind. Ob natürlich oder technisch hervorgerufen, in beiden Fällen erscheint die Veränderbarkeit des Klimas in SF-Texten dieser Zeit weniger als Triumph über die Natur denn als Signum einer fundamentalen Verunsicherung: Die Möglichkeiten planetarischer Umgestaltung, die sich im Zuge der Industrialisierung abzeichneten, riefen Ängste hervor, die sich in Katastrophenphantasien niederschlugen. Diese Katastrophen werden nicht immer als direkte Folge der menschlichen Eingriffe in die natürliche Ordnung dargestellt. Dennoch erscheinen sie als Rache einer Natur, die dem Menschen ihre Übermacht und seine kosmische Bedeutungslosigkeit vor Augen führt. Wenn um 1900 Autoren populärwissenschaftlicher Schriften von globalen technischen Umgestaltungen nach menschlichen Bedürfnissen träumten, so erscheint die SF in ihren Anfängen als Korrektiv solcher Allmachtvorstellungen. Anders als etwa in dem äußerst beliebten Subgenre der Zukunftskriegsromane ist die Macht der Technik in den Romanen, die klimatische Umbrüche thematisieren, ebenso beschränkt, wie ihre Folgen ambivalent sind.

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