Ausgabe 1 - 2018 - Hartmut Böhme

Ökologie, Ästhetik und Technik in der dritten Natur

Fernand Braudel unterscheidet in seinen Mittelmeer-Studien drei Zeiten der Geschichte: Die erste ist die Zeit des Planeten Erde, die géohistoire, etwa vor 4,5 Milliarden Jahren beginnend. Diese Zeit ist lent à s'écouler, quasi-immobile, langsam fließend, fast unbeweglich. Geohistorische Prozesse sind kaum wahrnehmbar und bilden die stabile Hintergrundzeit der Geschichte. Dazu gehören das Klima, die Morphologie der Kontinente, der Gebirge, der Meere und Küsten etc. Auch die Evolution des Lebens, obwohl viel dynamischer als geophysikalische Entwicklungen, verläuft noch so langsam, dass die Menschen bis weit in Neuzeit angenommen haben, dass die Gattungen und Arten der Pflanzen und Tiere konstant seien, d.h. gar keine Zeit hätten. Insofern gehörte das scheinbar zeitlose Leben ebenfalls zu den stummen Hintergrundannahmen des geschichtlichen Bewusstseins. Die zweite Zeit, nach Braudel, ist l’histoire de la longue durée. Sie bezeichnet die relativ haltbaren Strukturen von Herrschaftsformen, Politik, Ökonomie, von Kulturtechniken und soziokulturellen Lebensformen. Diese strukturhistorische Stabilität kann mehrere Jahrtausende umfassen (wie etwa im pharaonischen Ägypten) oder einige Jahrhunderte (wie etwa der mittelalterliche Feudalismus oder das mechanistische Weltbild). Die dritte Zeit schließlich bezeichnet die Ereignisgeschichte, l’histoire événementielle, die – je näher der Gegenwart – eine enorme Dichte von Ereignissen und Innovationen, aber auch von Zerstörungen aufweist. Es ist die Zeit der Turbulenzen, des Aktuellen, der Unsicherheiten, das also, wodurch wir unsere oft strapaziöse Verwicklung in die Gegenwart spüren und an ihr teilhaben.

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