Ausgabe 4 - 2/2021 - Ricarda Bethke

Zeiten im Zeichen des Götterbaumes in Berlin

Bäume als Freunde

Viele sprechen mit ihnen. Als Kind habe ich das oft getan. Die schattigen Tunnel der Kastanienalleen in der Uckermark, die Landstraßen, die zu den Dörfern führten, aus denen meine Schüler kamen, durchquerte ich als junge Lehrerin mit dem Fahrrad. Die Liebe zu Bäumen steckte schon in der Zärtlichkeit meiner Finger, die die glatten, gelben Ginkgoblätter später in der Knaackstraße im Prenzlauer Berg in Berlin aufhoben. Diese Zärtlichkeit war auch in mir beim Kauen der ersten Lindenknospen und beim Einatmen von Lindenblütenduft, wenn der Nebel auf mich herunterfiel. Begeistert blickte ich auf die silbernen Stämme der Buchen und ihren kupferroten Herbstlaubteppich sowohl auf weißlicher Kalkerde an der Ostsee als auch in Thüringen auf dem Muschelkalk. Entschieden zog ich früher die Laubbäume den Nadelhölzern vor. Es dauerte lange, bis ich furchtsam staunte zwischen sehr hohen Fichten, als sie mich, die ich irrgelaufen war, dicht und dunkel umringten in einer mit Moos bewachsenen Waldsenke. Es dauerte länger, bis mich das Schimmern von roten Kiefern an Sommerabenden erreichte, als ich mit dem Liebsten unter ihnen lag. Die Nadeln der Lagerstatt stachen, aber störten nicht, während ich nach oben sah ins dunkle Gesplitz vor hellem Himmel. Nie vergessen kann ich jene Kirschplantage der LPG Lenin von 1982. Kirsche auf Kirsche verschlingend, geriet ich in einen Mundraubtaumel. Ein Gespräch über Bäume sollte doch für mich, die Nachgeborene, nicht mehr ein Verbrechen sein, „weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt.“

Verwundert war ich oft, dass so viele Eichen, Linden oder Tannen in den Wanderkarten mit ihren ortsgebundenen Namen an Wegkreuzungen verzeichnet waren. Eine Georgs-Eiche auf dem Hain von Rudolstadt, dem Wald meiner Kindheit, war eine Wegmarke, dem Fürsten Georg von Schwarzburg/Rudolstadt gewidmet. Sie musste gefällt werden, sie war alt und krank. 2012 wurde sie durch eine junge Eiche ersetzt. Rauthenkranz, eine hohe Tanne, war uns Wegweiser in das Tal hinter den Hügelketten, die die Saale begleiten.

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