Ausgabe 5 - 1/2022 - Raul Zelik

Grüner Sozialismus – warum die Klimabewegung an alten Debatten nicht vorbeikommen wird

Aus den Reihen der Klimabewegung wird immer wieder dafür plädiert, sich von den Begriffen des 20. Jahrhunderts frei zu machen und jenseits der alten Systemdebatten zu argumentieren. So heißt es bei der Transformationsforscherin Maja Göpel in einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel: „Das letzte, was wir jetzt brauchen, ist eine ideologische Diskussion über Sozialismus und Kapitalismus.“ Und Luisa Neubauer von Fridays for Future schlägt in die gleiche Kerbe, wenn sie in einem Interview mit der TAZ erklärt, man brauche zwar eine andere Form des Wirtschaftens, aber mit Sozialismus habe das nichts zu tun.

Wenn man sich die Umweltbilanz der sozialistischen Staaten im 20. Jahrhundert vor Augen hält, scheint diese Argumentation sofort einzuleuchten. Das Fehlen von Privateigentum und Profitinteressen stoppte den Prozess der Naturzerstörung offenkundig nicht, im Gegenteil: Die Umweltbilanz der sozialistischen Länder war in vieler Hinsicht noch verheerender als die der westlichen Industriestaaten. Auch wenn das Projekt, sibirische Flüsse mithilfe von Nuklearexplosionen in die zentralasiatische Steppe umzuleiten, nie realisiert wurde, steht es doch emblematisch für die in der Sowjetunion verbreitete Vorstellung, die Natur nach menschlichem Bedarf modellieren zu können. In Texten des sowjetischen Schriftstellers Andrej Platonow klingt das bereits in den 1920er und 1930er Jahren an: „Der Mensch ändert sich langsamer, als er die Welt verändert. Genau das ist das Zentrum der Tragödie.“ Und dort, wo der Sozialismus keinen großen technologischen Phantasien frönte, herrschte einfach Gleichgültigkeit gegenüber den Kreisläufen der Natur. Wer älter ist, erinnert sich vermutlich noch an den beißenden Smog, der in der DDR in den Wintermonaten über den Städten hing, und an die Luftverschmutzung in der Umgebung der petrochemischen Werke.

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