Ausgabe 6 - 1/2023 - Dariya Manova

Der entgötterte UrwaldRessourcenreichtum und Energiearmut in der Literatur zwischen den Kriegen

Dass die Menschheit von Energie durch die Verarbeitung und Speicherung, die Lenkung und Verteilung natürlicher Ressourcen – also Kohle, Öl, Gas, aber auch Wasser, Sonne und Wind – abhängig ist, fällt erst dann auf, wenn die Flüsse notwendiger Rohstoffe gestört sind. Sei es, weil die Vorräte an Rohstoffen knapp werden oder der Zugang zu den Vorkommen beschränkt wird. Sei es, weil Transportwege und Lieferflüsse durch Krieg oder Streik blockiert werden oder Technologien sich als mangelhaft und ineffizient erweisen. In welchem Ausmaß die Menschheit von der Erzeugung von Energie für Industrie und Alltag abhängig ist, wird erst dann sichtbar, wenn diese Energieproduktion selbst zur Bedrohung für die Menschheit und ihre Zukunft geworden ist. Kurzum, an Energie denken wir scheinbar nur dann, wenn wir keine haben, wenn unsere
Energien erschöpft sind.

Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bezeichnet der Begriff »Rohstoff« natürliche Materialien, aus denen nach einer chemischen oder manuellen Verarbeitung Gebrauchsgegenstände produziert werden. Somit ist der Begriff Teil einer phänomenologischen und sprachlichen Geschichte der durch fossile Energien vorangetriebenen Industrialisierung und Technisierung. Er markiert die Umdeutung der Natur zum Speicher industrieller Energie. Parallel zur Entwicklung dieses Begriffs etabliert sich auch eine mediale Berichterstattung über Rohstoffvorkommen – samt Thematisierung ihrer Endlichkeit – in Zeitungen. Meldungen über neue Geschäftszweige, über neue Infrastrukturprojekte, die den Zugang zu Rohstoffen und deren Transport ermöglichen, oder aber Tabellen und Börsenkurven der Aktienpreise bilden in der Tagespresse die wirtschaftliche, politische, gesellschaftliche Relevanz von Rohstoffen ab.

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