Ausgabe 6 - 1/2023 - Fabian Zimmer

An den Rändern der TechnosphäreDie Elektrizitätswirtschaft und die Neuvernetzung emotionaler Energien im 20. Jahrhundert

Norra Tresund, 1955

Norra Tresund, ein Weiler an den Ufern des Vojmsjö im nordschwedischen Västerbotten. Es ist der frühe Herbst des Jahres 1955. Ein kleines Filmteam – Regisseur, Kameramann, Produzent – baut seine Ausrüstung auf. Die drei Herren machen im Auftrag von Vattenfall, der Staatlichen Wasserfallverwaltung, Landschaftsaufnahmen für einen Kurzfilm, »einen Idee-Film über Seeregulierungen, einen Film, der in den Kinos ein großes Publikum erreichen soll.« Noch Jahrzehnte später erinnert sich Ivan Christoferson, damals Mitarbeiter der Presseabteilung von Vattenfall und Produzent des Films, an diesen Dreh:

Wir verwendeten ein neutrales Filmauto: Das Thema des Films, Seeregulierungen und deren Probleme, war vergiftet. Im Dorf Norra Tresund im südlichen Lappland stellten wir die Kamera auf […]. Aus den Wäldern ringsum kamen Männer mit Äxten auf dem Rücken, sie umringten uns und wir wurden in bedrohlichem Ton ausgefragt, was
wir hier vorhätten und wer wir seien. Waren wir etwa von Vattenfall? Faustschläge drohten. Der Regisseur antwortete wahrheitsgemäß nein. Der Kameramann ebenso. – Ich antwortete auch nein. Ich habe gelogen, denn ich hatte Todesangst.

Die Episode mag peripher erscheinen, und doch führt sie uns ins Herz der geologischen Umwälzungen, die unsere Gegenwart des Anthropozäns geformt haben. Sie erlaubt einen Einblick in die emotionalen Energien, die an den Rändern der Technosphäre freigesetzt wurden und werden.